Das
folgende Dokument haben wir von einem Mitarbeiter von „Dem Volke
Dienen“ erhalten und teilen es hier, da wir es für von großem Interesse
halten für die revolutionäre Bewegung.
Über die Haltung der Antiimperialisten zur PKK
Seit
drei Jahren entwickeln die der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK)
nahestehenden Strukturen in Nordsyrien bzw. Westkurdistan eine
gesellschaftliche Entität, die spätestens seit dem Kampf um Ain al-Arab
(Kobanê) Ende 2014 und dem Tod von Revolutionären aus den tiefsten und
breitesten Massen der BRD, wie Ivana Hoffman, eine umfassende
Aufmerksamkeit der revolutionären Bewegung hier im Land genießt. Auch
auf Weltebene hat dieser Kampf einen großen Widerhall. Viele junge,
grundsätzlich progressive Menschen verlassen ihre Heimat und sind bereit
ihr Leben in diesem Kampf zu geben und sie tun es auch. Sie ziehen den
Kampf mit der Waffe in der Hand gegen den Imperialismus dem bequemen und
sicheren Leben vor.
Verschiedene
ideologische Strömungen haben verschiedene Anschauungen zu den
Entwicklungen in Westasien und speziell Nordsyrien. Eine nicht
unerhebliche Anzahl von Artikeln und Dokumenten wurde publiziert, doch
bedauerlicherweise kommt die Diskussion zwischen den verschiedenen
Haltungen zu diesen Ereignissen gelegentlich zu kurz. Einigen Autoren
scheint es zu genügen sich selbst in den eigenen Ansichten zu versichern
und zu bestätigen, ohne dem Argument des Opponenten und dem Dissens den
nötigen Raum zu lassen.
Ich
denke die Kausa ist es wert sich die Mühe zu machen und will dies vom
Standpunkt des Maoismus aus tun. Ziel ist es damit einen Beitrag zu
einem Mehr an Klarheit innerhalb der revolutionären Bewegung leisten zu
können. Der Rahmen in dem ich mich dabei bewege wird eine
Charakterisierung der PKK und der ihr nahestehenden Organisationen, ihr
Verhältnis und ihre Beziehungen zum türkischen Staat, ihre Haltung
gegenüber dem Imperialismus, im besonderen dem US-Imperialismus, sowie
die internationale Lage und ihr historischer Kontext und Fragen von
Weltanschauung, Standpunkt und Methode des internationalen Proletariats
diesbezüglich sein. Der Genosse Kader Yildirim hat über die
Internetpräsenz des Lower Class Magazines im Oktober diesen Jahres das
sehr umfangreiche Dokument „Bürgerlicher Antiimperialismus und
bürgerlicher Kommunismus als Revolutionsblockade. Zur Rojava-Debatte“
veröffentlicht, dass die „Pro-PKK-Position“ nahezu komplett darstellt.
Da der Genosse Yildirim darin die Rolle des Verteidigers der PKK
(gegenüber verschiedenen Kritikern) übernimmt, bin ich so frei als Ankläger zu fungieren, möge der geneigte Leser sein Urteil fällen.
Zunächst
wird kurz die Kritik an der PKK und an Abdullah Öcalan aus dem Umfeld
der „Deutschen Kommunistischen Partei“ und der Internetplattform
„antiimperialista“, die in letzter Zeit veröffentlicht wurden,
auseinandergesetzt. In diesem Zusammenhang will ich die Positionen aller
revisionistischen Parteien und Organisationen, die sich als
kommunistisch, marxistisch, antiimperialistisch oder sonst wie tarnen,
entschieden zurückweisen, weil sich in ihren Stellungnahmen ihre
Verbundenheit mit und Unterordnung unter eine imperialistischen
Supermacht oder Macht, insbesondere dem russischen Imperialismus (als
Kontinuität der Unterordnung unter den Sozialimperialismus),
konkretisiert. „Nichts habe ich jemals gemeinsam mit der Sache des
Klassenfeind“, dichtete Bertolt Brecht und derart ist die richtige
Haltung gegenüber diesen Individuen, deren Streben ganz grundsätzlich
darauf ausgerichtet ist, ihre Existenz zu verewigen.
Dass
Genosse Yildirim sich genau solcher Kritiker wie Hans Christoph Stoodt
bedient, um seine Linie zu entfalten, liegt daran, dass Artikel wie
„Krach in der imperialistischen Pyramide“ im Grunde genommen der
schlecht gelungene Versuch sind eine gerechtfertigte Kritik zu
formulieren. Die Basis dafür, dass es eben nur sehr schlecht gelingt,
liegt in einer vollständigen Verwirrung über das imperialistische
Weltsystem, in Konvergenz mit dem Revisionismus der KKE,
und den Hauptwiderspruch auf Weltebene, den Stoodt betreibt. Dieser ist
bei Stoodt der interimperialistische Widerspruch und so wird der Zwist
zwischen den verschiedenen Imperialisten zur Triebfeder der Entwicklung,
eine deutliche Analogie zum Revisionismus der RCPUSA, als diese sich
noch nicht mit der sogenannten „Neuen Synthese“ offen von Marxismus
abgekehrt hatte, was in Konsequenz zur Aktionslosigkeit der
revolutionären Bewegung führen muss. Stoodt ignoriert weiter die Kritik,
die innerhalb der revolutionären Bewegung in der BRD beispielsweise von
den Genossen der Zeitschrift Klassenstandpunkt entwickelt wurde, und
reduziert seine eigene Kritik auf die aktuelle Bündniskonstellation in
Nordsyrien und lässt grundsätzliche Fragen, wie die des
Klassencharakters der PKK u.v.m. unbehandelt.
Nun
aber zur Sache. Definitionen sind nicht unerheblich, wenn man darauf
abzielt sich inhaltlich zu einigen. Worthülsen helfen uns an dieser
Stelle nicht, sondern fördern lediglich ein Aneinandervorbeireden und
darum ist es sinnvoll zu Beginn sachlich zu bestimmen, um was für einen
Prozess es sich bei den Aktivitäten der PKK und der ihr nahestehenden
Organisationen handelt. Yildirim benennt dies wie folgt: widersprüchlicher Revolutionierungsprozess, Revolution, revolutionärer rätedemokratischer Ansatz, revolutionäres Projekt und Revolutionsprojekt
– was mich und wahrscheinlich die meisten anderen auch im Sinne eines
Erkenntnisgewinns erst einmal nicht viel weiterbringt, außer der
Erkenntnis, dass offenbar nicht genügend Klarheit in den
Begrifflichkeiten besteht. Wirkliche Definitionen finden sich zwei bei
Yildirim:
„eine
demokratische Revolution in den jeweiligen Ländern, in denen die
„kurdische Frage“ aktuell war, ... die bürgerliche wie auch
sozialistische Elemente enthielt“
und
„demokratischen Revolution, die zugleich eine nationale Befreiung beinhaltet und mit sozialistischen Elementen ausgestattet ist“
Lassen
wir die Ungereimtheit bezüglich „in den jeweiligen Ländern“ /
„nationale Befreiung“ beiseite und versuchen die zentrale
Begrifflichkeit „demokratische Revolution“ zu klären. Yildirim irrt,
zumindest aus marxistischer Sicht, wenn er schreibt: „Zu
den Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution gehören alle die
Dinge, die man aus den Zentren des Imperialismus mehr oder minder
gewohnt ist: innerhalb des bürgerlichen Rahmens die Erlangung
weitestgehender politischer Freiheiten, das Recht auf Ausleben jedweder
nationalen, religiösen, ethnischen usw. Identität, im mindesten
Chancengleichheit der Geschlechter, Demokratisierung der
Staatsstrukturen usw. “
Im Gegensatz dazu das marxistische Verständnis über die Aufgaben der demokratischen Revolution: „1) Zerstört die imperialistische Herrschaft, hauptsächlich der Yankees für uns [d.h. Peru; Anm. d. Verf.], verhindert die Handlung der anderen Supermacht, des russischen Sozialimperialismus [heute des russischen Imperialismus; Anm. d. Verf.],
und die der anderen imperialistischen Mächte. 2) Zerstört das
bürokratische Kapital durch die Konfiszierung des staatlichen und
nicht-staatlichen Großkapitals. 3) Zerstört den feudalen Grundbesitz
durch die Konfiszierung des assoziativen und nicht-assoziativen
Eigentums, individuelle Übergabe des Bodens unter der Parole „Das
Eigentum der feudalen Großgrundbesitzer zerstören“, Konfiszierung sowohl
des assoziativen wie des nicht-assoziativen Eigentums, mit
individueller Verteilung des Landes unter der Parole „Jedem Pflüger sein
Feld“, an erster Stelle und hauptsächlich an die armen Bauern. 4)
Unterstützt das mittlere Kapital, welchem unter vorgeschriebenen
Bedingungen es erlaubt ist zu arbeiten.“
Des
weiteren ist es an dieser Stelle notwendig zumindest kurz einzuwerfen,
dass die Ausführungen Yildirims als eine Idealisierung der bürgerlichen
Demokratie – immerhin eine Ausformung der Diktatur der Bourgeoisie –
interpretiert werden könnten. Erwähnenswert ist dabei auch, dass Dinge, „die man aus den Zentren des Imperialismus mehr oder minder gewohnt ist“
unter anderem auch die Ermordung von Afrikanern durch staatliche
Institutionen aufgrund ihrer Hautfarbe, wie der Fall Oury Jalloh zeigt,
beinhalten, „Chancengleichheit der Geschlechter“ im Imperialismus reiner Hohn auf die Emanzipation der Frau ist und das „Recht auf Auslebung religiöser Identität“ insbesondere für Muslime in den letzten Jahren immer massiver angegriffen wird.
Als
nächstes wäre zu diskutieren, welche Kräfte an dieser Revolution
teilhaben, um ihren Charakter näher bestimmen zu können. Dies wird
dadurch erschwert, dass, wie Yildirim ausführt, Abdullah Öcalan und in
Konsequenz die PKK und die ihr nahestehenden Organisationen „Verzicht auf expliziten Klassenantagonismus“ üben.
Auch Yildirim verzichtet im seinem Dokument auf die Analyse von
Klassenzugehörigkeit und -führung von Organisationen. Die PKK und ihr
nahestehende Kräfte kooperieren laut Yildirim „mit anderen zumeist sozialistischen, nasseristischen und teils offen pro-Assad Parteien im NCC“, mit verschiedenen Kräften „im Rahmen der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF)“ und im Irak bestehen sowohl „strategischere Bündnisse mit der Goran-Bewegung und der PUK von Talabani“, als auch ein Rat, „wo sich PKK-nahe und Barzani-nahe Kräfte die Waage halten“. Zu den Kräften mit denen PKK und die ihr nahestehenden Organisationen zusammenarbeiten gehören also Vertreter des bürokratkapitalistischen
und Großgrundbesitzer Staats Syriens und der Marionette des russischen
Imperialismus (pro-Assad Parteien) sowie Vertreter des
bürokratkapitalistischen und Großgrundbesitzer Staats Iraks und
Kollaborateur mit den US-Besatzern (Talabani) und der
„dynastisch-kapitalistische“ Barzani-Clan der im Nordirak einen
„Monopolkapitalismus“ (in den Worten Yildirims) entwickelt. Das hört
sich erst einmal nicht so gut an, doch verlassen wir kurz das Dokument
Yildirims und betrachten wie sich diese Arbeit konkretisiert, betrachten
wir die Verfassung von Rojava. Darin heißt es: „Die Quelle der Macht ist die Bevölkerung, der Bevölkerung gehört die Macht.“ und „Die
Quelle der demokratisch beschaffenen Räte und Exekutivorgane ist die
Bevölkerung. Es wird nicht geduldet, dass diese durch die Hand einer
Schicht/Klasse monopolisiert wird.“
Das Problem dabei ist, dass auf diese Weise dem Marxismus
Korporativismus entgegengestellt wird. Der Klassenkampf und seine
notwendige Entwicklung hin zur Diktatur des Proletariats
wird negiert und im Namen der in der Präambel festgelegten
Gerechtigkeit, Freiheit, Demokratie (der ergraute Mythos der ehemals
revolutionären Bourgeoisie vergangener Jahrhunderte) und Ökologie wird
ein faschistisches Prinzip exekutiert.
Die Verfassung nimmt auch Bezug auf die materielle Basis, die Eigentumsformen und die Ausbeutung: „Das
Recht auf Eigentum und Privateigentum wird geschützt. Niemand darf der
Gebrauch des eigenen Eigentums verweigert werden. Niemand darf enteignet
werden. Sollte das für das öffentliche Interesse doch notwendig sein,
muss der Besitzer oder die Besitzerin entschädigt werden.“ So wird die ökonomische Grundlage der Diktatur der Bourgeoisie garantiert.
„Alle Bodenschätze und natürlichen Ressourcen gehören der gesamten Gesellschaft.“ und „In
den demokratisch-autonomen Verwaltungen gehört jeglicher Grundbesitz
und Boden der Bevölkerung. Nutzung und Aufteilung werden durch Gesetze
geregelt.“
- Das hört sich zunächst einmal und für sich gestellt gut an, mit den
durch die bereits angeführten anderen Teile der Verfassung vorgenommenen
Einschränkungen ist das Ergebnis jedoch weniger imposant: Sollte es zu
„Enteignungen“ kommen, wird dafür bezahlt. Die ehemaligen Besitzer
behalten ihren Status unter lediglich veränderten Vorzeichen bei. Das
erinnert an die „Sino-American Joint Commission on Rural
Reconstruction“, die die sogenannte „Bodenreform“ im durch die
Kuomintang besetzten Taiwan durchführte.
Was
deutlich wird und auch weder von der PKK und ihr nahestehenden
Organisationen bzw. ihren Verteidigern bestritten wird ist, dass das
Proletariat nicht die führende Kraft, weder in der Partei, noch im Staat
und auch nicht ideologisch, ist. Die Frage ist allerdings: Kann es eine
bürgerlich-demokratische (heute neudemokratische) Revolution unter der
Führung der Bourgeoisie bzw. nicht unter der Führung des Proletariats
unter der Führung seiner Kommunistischen Partei geben? Die Antwort
lautet: Nein, heute nicht mehr. Eben dies wird jedoch in Bezug auf die
PKK und die ihr nahestehenden Organisationen immer wieder behauptet.
Auch Yildirim tut dies.
Erschwerend
hinzu kommt ein Spezifikum, welches ich nicht unerwähnt lassen möchte.
Die „demokratische Revolution“ Öcalans, der PKK und der ihr
nahestehenden Organisationen nimmt „positiv[er] Bezug auf das Greater Middle East Project“ der Yankees. Yildirim vertritt die Position, dass derartige Standpunkte innerhalb der PKK der Vergangenheit angehörten und „nicht weiter ausgeführt“ würden.
Weit
davon entfernt wirklich umfassend Kenntnis aller Dokumente der PKK und
Öcalans, insbesondere der nicht übersetzten, zu haben, fällt es doch
leicht den Kontext der obigen Zitate zu erfassen und es ist notwendig,
dass die Genossen, die mit der PKK sympathisieren, sich damit
auseinandersetzen. Es handelt dabei um ein jüngeres Dokument - „Jenseits
von Staat, Macht und Gewalt“ und darin das Kapitel „Die Zivilisation
des Mittleren Ostens: Wege aus dem Chaos“ -, in dem Öcalan als
Einführung in das Thema (welches immerhin mehrere Seiten umfasst) sich
zunächst einmal positiv gegenüber dem US-Imperialismus äußert. Er
spricht in Bezug auf die Yankees von einer „Notwendigkeit für eine imperiale Führung“. Und weiter: „Wir
müssen uns vergegenwärtigen, dass die Weltsicht der USA auf dem letzten
Stand der Wissenschaft ... beruht. ... Dabei ignorieren sie die
Geschichte nicht, sondern versuchen im Lichte historischer Vorbilder
ihre Modelle sinnvoll zu gestalten.“
Öcalan gelangt dann zu einer umfassenden positiven Analyse von dem was
von Marxisten, Revolutionären, Antiimperialisten und im allgemeinen
progressiven Menschen gerechtfertigterweise als Terror, Krieg,
Völkermord und Ausplünderung Westasiens durch die Yankees kritisiert
wird: „Daher sollen [durch die Yankees; Anm.d.Verf.] ökonomische
Entwicklung, individuelle Freiheiten, Demokratisierung und Sicherheit
gleichzeitig vorangebracht werden. ... will man [d.h. die Yankees; Anm.d.Verf.] die
chronisch gewordenen Probleme und Konflikte (Israel-Palästina,
Kurden-Araber, Türkei, Iran) lösen, gleichzeitig das gesellschaftliche
Gefüge aus dem Klammergriff des Despotismus befreien und so neue
Explosionen verhindern. Es handelt sich um eine Art an die Region
angepassten neuen Marschallplan …“ Damit kann und darf man als fortschrittlicher Mensch nicht einverstanden sein. „Notwendig und realistisch“
nennt Öcalan die Ermordung und Vertreibung von Abermillionen Menschen,
die Massaker, die Folter, die Völkermordpolitik, seine Kritik: „Es kommt sogar reichlich spät.“
Als
kurzen Exkurs zum Marshallplan muss angemerkt werden, dass er nicht
etwas irgendwie positives – wie in den Worten Öcalans erscheint – ist,
sondern die Grundlage für die Entwicklung des US-Imperialismus zur
Supermacht. Ich denke was hier deutlich gezeigt werden konnte ist zum
einem Öcalans Klassenstandpunkt, zum anderen wird die Redlichkeit seiner
Verteidiger arg in Frage stellt.
Ich
möchte an dieser Stelle den Standpunkt des Marxismus zu dieser Frage
kurz umreißen, um ihn den vorigen Ausführungen entgegen zu stellen: Die
demokratische Revolution muss heute unter der Führung des Proletariats
stehen, weil die Bourgeoisie dazu nicht mehr in der Lage ist. Sie ist es
nicht mehr seit der Kapitalismus in sein letztes und höchstes Stadium,
den Imperialismus, eingetreten ist und dieses als Weltsystem
durchgesetzt hat. Das imperialistische Finanzkapital ist in die weniger
weit entwickelten Länder eingedrungen und ist dort unter seiner
absoluten Vorherrschaft mit den im Frühstadium seiner Entwicklung
befindlichen Handels- und Bankkapital verschmolzen. Der Imperialismus
hat so in der dritten Welt eine Bourgeoisie geschaffen, die absolut von
ihm abhängt (wobei die verschiedenen Fraktionen von verschiedenen
imperialistische Supermächten und Mächten abhängen können und dadurch
Widersprüche entstehen) – das bürokratische Kapital (früher
Kompradorbourgeoisie genannt). Dieses stützt seine Herrschaft im Land
auf die Großgrundbesitzer und strebt daher nach der partiellen
Aufrechterhaltung des Feudalismus, so entsteht dort Halbfeudalität. Ein
vitales Interesse der Bourgeoisie steht also dem Kern der demokratischen
Revolution, der Beseitigung des Feudalismus, der Bodenreform, „Jedem
Pflüger sein Feld“, entgegen. Die nationale und die Kleinbourgeoisie
haben Widersprüche mit dieser Herrschaft, weil sie unter der Diktatur
der Großgrundbesitzer und Bürokratkapitalisten leiden, aber ihre
originären Bourgeoisieinteressen – selbst herrschende, d.h.
bürokratische Bourgeoisie zu werden – verunmöglichen ihre Führung der
demokratischen Revolution. Das Proletariat hingegen kann und muss unter
seiner Führung diese Widersprüche nutzen und in seinen Dienst stellen. Es
gibt keinen anderen Weg. Entwicklungen wie der „arabische Frühling“,
die dortige „Demokratiebewegung“, zeigen nur, dass die
„bürgerlich-demokratische“ Bewegung eine geschichtlich längst überholte
Sache ist. Nur das Proletariat durch seine Kommunistische Partei kann
die demokratische Revolution führen.
Die
neudemokratische Revolution ist eine Entwicklung des Vorsitzenden Mao,
doch steht sie nicht im Widerspruch zu den Lehren von Marx und Lenin. Im
Gegenteil, Lenin selbst sagt: „...
in Wirklichkeit wird erst dann der wahre Schwung der russischen
Revolution einsetzen, wird das erst dann der wirklich höchste
revolutionäre Schwung sein, der in der Epoche der
bürgerlich-demokratischen Umwälzung möglich ist, wenn die Bourgeoisie
abschwenken und die Masse der Bauernschaft an der Seite des Proletariats
als aktiver Revolutionär auftreten wird. Damit unsere demokratische
Revolution konsequent zu Ende geführt wird, muß sie sich auf solche
Kräfte stützen, die fähig sind, die unvermeidliche Inkonsequenz der
Bourgeoisie zu paralysieren (d. h. fähig sind, sie gerade zum
„Abschwenken zu veranlassen“ ...)
Das
Proletariat muß die demokratische Umwälzung zu Ende führen, indem es
die Masse der Bauernschaft an sich heranzieht, um den Widerstand der
Selbstherrschaft mit Gewalt zu brechen und die schwankende Haltung der
Bourgeoisie zu paralysieren. Das Proletariat muß die sozialistische
Umwälzung vollbringen, indem es die Masse der halbproletarischen
Elemente der Bevölkerung an sich heranzieht, um den Widerstand der
Bourgeoisie mit Gewalt zu brechen und die schwankende Haltung der
Bauernschaft und der Kleinbourgeoisie zu paralysieren. Das sind die
Aufgaben des Proletariats ...“
So
liegen die Dinge heute, daran kann (auch wenn es mancher wünscht oder
derart argumentiert) auch die PKK nicht vorbei. Ihre Stellungnahme ist
deutlich. Sie steht nicht für die Führung des Proletariats in der
demokratischen Revolution und sie setzt sie in der Praxis nicht durch.
Entsprechend ist sie in der Praxis auch gegen die Erfüllung der Aufgaben
der demokratischen Revolution. Dort, wo sie die Macht ausübt – in
Nordsyrien, hat sie eine Verfassung aufgestellt, die dies glänzend
beweist.
Die dafür Verantwortlichen „Helden*innen der Menschheit“ und gerechtfertigte Kritik daran „Verrat“ und konterrevolutionär („aktive Hemmung eines widersprüchlichen Revolutionierungsprozesses“)
zu nennen, kann nicht die Haltung der Marxisten sein und doch erzeugt
das Dokument Yildirims diesen Eindruck. Steht da der „schlimmste Feind“,
wie Tucholsky ihn nennt?
„In
der Klassengesellschaft lebt jeder Mensch in einer bestimmten
Klassenlage, und es gibt keine Ideen, die nicht den Stempel einer Klasse
trügen.“ Das lehrt der
Vorsitzende Mao Tse-tung in seinem Werk „Über die Praxis“. Entsprechend
trägt alles was Öcalan, die PKK, die PYD, der KCK, die YPG oder sonst
eine Organisation beziehungsweise ihre Vertreter sagen und tun den
Stempel einer Klasse. Jeder andere Standpunkt ist Idealismus, muss als
solcher denunziert und bekämpft werden. Die Frage, die sich stellt, ist,
welcher Klasse Öcalan und die PKK angehören. Die PKK ist keine
proletarische, sondern eine bürgerliche Partei, gegründet mit einem
eklektischen bürgerlichen Programm.
Yildirim vertritt entgegen diesen allen öffentlich zugänglichen Tatsachen folgende Position: „Die
PKK hingegen war lange Zeit eine offen sozialistische Organisation, die
nebst der nationalen Befreiung der Kurd*innen das Modell einer
demokratischen Revolution, die sich in eine sozialistische hinein
entwickelt, verfolgte. Zwar hat sich ideologisch einiges bei der PKK
geändert, eine Herausforderung für die kapitalistische Ordnung der
Türkei und ihrer Funktion im imperialistischen Gefüge der NATO bildet
sie aber nach wie vor.“
Er beruft sich auf einen Mythos, es ist nicht mehr als ein Mythos, über
die frühere PKK, wie in den obigen Ausführungen auseinandergesetzt
wurde. Dazu führt Yildirim an verschiedenen Stellen „Vertreter des revolutionär-sozialistischen Flügels in der PKK“, oder „alte, sozialistisch ausgerichtete und seit jeher im engen Bündnis mit der revolutionären Linken in der Türkei stehende Kader“, an. Letztere „übernahmen das Ruder und brachten die PKK wieder auf eine eigenständige, revolutionäre Linie“, zumindest nach den Vorstellungen Yildirims.
Offensichtlich
ist Akkuratesse nicht Yildirims Sache, was mich nicht weiter bekümmert,
macht es mir die Sache so doch ein Stück weit leichter. Ein kleiner
Hinweis an ihn und solche die sich aufs Parkett wagen soll an dieser
Stelle Ausführungen von Friedrich Engels sein, die das, was sich
„sozialistisch“ nennt, klar und deutlich beschreiben und zwar vor mehr
als 125 Jahren: „So war
denn 1847 Sozialismus eine Bewegung der Mittelklasse, Kommunismus eine
Bewegung der Arbeiterklasse. Der Sozialismus war, auf dem Kontinent
wenigstens, „salonfähig“; der Kommunismus war das gerade Gegenteil. Und
da wir von allem Anfang an der Meinung waren, daß „die Emanzipation der
Arbeiterklasse das Werk der Arbeiterklasse selbst sein muß“, so konnte
kein Zweifel darüber bestehen, welchen der beiden Namen wir wählen
mußten. Ja noch mehr, auch seitdem ist es uns nie in den Sinn gekommen,
uns von ihm loszusagen.“
Nach Yildirim stellt die PKK und die angeschlossenen Organisationen trotzdem „eine Herausforderung für die kapitalistische Ordnung der Türkei und ihrer Funktion im imperialistischen Gefüge der NATO“.
Garant dafür soll der mal revolutionär, mal sozialistisch, mal links,
mal Falken genannte „Flügel“ und dessen Repräsentanten sein. Yildirim
nennt diese auch beim Namen: „Cemil Bayık, Murat Karayılan, Duran Kalkan“. Hält diese Behauptung einer Überprüfung stand?
Eben jener Cemil Bayık sagte unlängst in einem Interview: „Die Weigerung der HDP eine Koalition mit der AKP einzugehen, bewerten wir als einen historischen Fehler.“
Ist das die Herausforderung der kapitalistischen Ordnung die Yildirim
sich vorstellt? Man müsste ihn glatt zur Umkehr aufrufen. Oder ist ihm
dieses Interview entgangen? Wohl kaum, schließlich handelt es sich
hierbei um einen zentralen Punkt in einem Artikel, auf den Yildirim sich
explizit bezieht. Warum geht Yildirim nicht darauf ein? Man weiß es
nicht genau.
Es
gibt jedoch andere Hinweise, die der These der Überheblichkeit Vorschub
leisten. Es wird mal mehr, mal weniger offen unterstellt, für Öcalan,
die PKK und ihr nahestehende Organisationen, würden die Gesetze des
Marxismus nicht gelten. Diese Organisation, so wird unterstellt, stehe
über den Gesetzmäßigkeiten des Klassenkampfes, über den sozialen
Gesetzen. So wird ein idealistisches Weltbild geschaffen, in dem Öcalan
über den physikalischen Gesetzten, denen alle anderen unterworfen sind,
steht. Öcalan selbst schwadronierte einst selbstverliebt: „Im Gegensatz zu den Politikern bin ich eigentlich den Propheten näher“ Kader Yildirim benennt das ein wenig eingängiger als „diejenigen Linken …, die in der Weltgeschichte mitmischen, die nicht „ML“ sind“.
Öcalan
und die PKK haben sich des Marxismus auch als Fassade seit Längerem
entledigt. Mit der Argumentation über einen angeblichen vorherrschenden
Vulgärmaterialismus liefert er den Vorwand um offen zum Idealismus
überzugehen. Er vertritt die Hegel´sche Triade gegenüber dem
historischen Materialismus, bedient sich der Metaphysik Aristoteles`
anstelle Stephen Hawkins`(dessen Problematik es ist die materialistischen Gesetze nur auf der Ebene der Naturwissenschaften zu akzeptieren)
naturwissenschaftlichen „Der große Entwurf“ zur Erklärung der
Entstehung des Universums und beruft sich auf den aus den USA stammenden
trotzkistischen öko-Anarcho Murray Bookchin bei der Definition des
Menschen.
Duran Kalkan erklärte den Opportunismus der PKK in einem Interview aus dem Jahr 2008 wie folgt: „Wir
lehnen den Marxismus nicht ab. Aber wir bestimmen uns auch nicht wie
die klassischen Marxisten als solche. Wir sagen auch nicht, dass wir die
Nachfolger des Marxismus sind oder auch nicht. ... haben wir auch die
Mängel des Marxismus analysiert und korrigiert. Wir haben uns daher
nicht vom Marxismus gelöst oder lehnen ihn ab, wir haben ihn lediglich
überholt.“ Öcalan kommt zu folgendem Urteil: „Sobald
die Suche nach Lösungen – sei es bei Zarathustra oder Mani, seien es
Noah, Abraham oder Mohammed – in den sumerischen Priesterstaat
einmündete, endete sie schließlich darin, die Menschen, die sie retten
wollte, den Löwen zum Fraß vorzuwerfen. Die gleiche Haltung veranlasste
zum leninistischen Versuch, den imperialistischen Staat zu zerschlagen,
zum Aufbau der Diktatur des Proletariats. Der Leninismus teilt das
gleiche Schicksal. Auch der Maoismus und ähnliche Richtungen stehen in
derselben Tradition.“
Trotzdem gibt es nicht wenige, die versuchen den antimarxistischen, d.h. konterrevolutionären Auffassungen Öcalans
eine irgendwie marxistische bzw. revolutionäre Maskerade überzustülpen.
Dabei sind Herrschaften wie Kader Yildirim so überheblich, dass er sich
tatsächlich dazu hinreißen lässt die Perspektive der PKK-Führung in
Bezug auf Nordsyrien mit den Worten „pi mal Daumen“ zu beschreiben. Sein letzter Satz lautet denn: „Hauptsache sie schreitet voran!“
Das spricht Bände. Die PKK, die ihr angeschlossenen Organisationen und
ihr Führungspersonal sowie ihre Fürsprecher, die vorgeben Marxisten zu
sein, weigern sich einen Plan vorzulegen, was die PKK denn genau vorhat.
Einzig die Worte demokratische Autonomie und Konföderalismus werden wie
Mantren herunter gebetet. Solche Unverbindlichkeit ist nicht Ausdruck
der flexiblen taktischen Anwendung, sondern reiner Opportunismus.
Dieser Opportunismus drückt sich auch wie folgt aus: „die PKK-nahen kurdischem Kräfte und Verbündete [bieten] allen was an und gehen partiell auf deren Interessen ein“. Alle sind relativ viele, Yildirim zählt einige von ihnen auf: „Mit Teilen der FSA könne man sich vielleicht auf der Linie Jarablus-Azaz-al Bab verbünden“; „strategischere Bündnisse mit der Goran-Bewegung und der PUK von Talabani“; „mit Teilen der nicht-jihadistischen Opposition und kurzzeitig auch mit islamistischen Gruppierungen“; „während der Belagerung von Aleppo 2016 hier wieder gemeinsam mit dem Regime“; „kurdische Kräfte und Verbündete mit Regimekräften und Verbündeten“; „Kurd*innen wurden von Russland mit Luftschlägen unterstützt“; und natürlich gibt es auch immer wieder „Unterstützung von den USA“, was jedoch mit aller Kraft versucht wird herunterzuspielen. Bei Yildirim klingt das Kindermärchen von den nicht kämpfenden Soldaten wie folgt: „...
die US-Sondereinsatzkommandos sind vor allem dafür da, die Luftschläge
zu koordinieren, sie mischen selbst nicht in den Kämpfen mit …“
Tatsächlich befinden sich unter den Spezialeinheiten der USA, die
mittlerweile immerhin 500 Mann zählen, Spezialkräfte, Ausbilder und auch
Sprengstoffexperten. In der Operation „Wrath of Khabur“ „halfen US-Sondereinsatzkräfte syrischen Oppositionskräften [SDF u.a.; Anm.d.Verf.] die Stadt al-Shaddadi vom Islamischen Staat zurück zu erobern.“
Sicherlich
hat das auch etwas damit zu tun, von wem man seine Waffen bekommt.
Yildirim erklärt, dass die Yankees lediglich Kleinwaffen und Munition
geliefert hätten, man auch „Waffen vom Iran, von Russland und vor allem auf dem Schwarzmarkt“ „besorge“, viele „ex-sowjetische Waffen“ besitze und auch „vom Iran und von Israel Waffen annehmen“ könne.
Wie aber besorgen sich Marxisten Waffen? Der Vorsitzende Mao Tse-tung lehrt: „Alle
Waffen, die wir dem Feind entreißen, und ein Großteil der Soldaten, die
wir gefangennehmen, dienen der Ergänzung unserer eigenen Bestände. Die wichtigste Quelle von Menschen und Kriegsmaterial für unsere Armee ist die Front.“
Sicher kann man auch Waffen kaufen, jedoch sind Eroberung und
Eigenproduktion wesentlich wichtiger, Waffen von anderen annehmen
verstößt jedoch gegen das Prinzip von Unabhängigkeit und
Selbstversorgung. Doch von marxistischen Prinzipien hat Yildirim keine
Ahnung und so findet sich darüber bei ihm kein Wort.
Worte findet er jedoch für diejenigen, die Kritik an der PKK üben: „ganz schlaue ML-Theoretikerlein“; „Super-MLler“; „ML-Propheten und Nahostexperten“; „ML-Apostel und Antiimp-Helden“; „Nahostexpert*innen und ML-Heroes of the Universe“; „Antiimp-Helden und Möchtegern-MLer“.
Die Häufigkeit mit der Yildirim solche Worte nutzt erweckt den
Eindruck, dass es ihm nicht um eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe
geht, sondern um schlichte Diffamierung der Kritiker. Auch die Pasage
über „deutsche „Nahostexpert*innen““ und deren „kleinbürgerliche Ressentiment“s, die „in der Weltgeschichte absolut gar nichts zu pfeifen“
haben, ist entsprechend einzuschätzen. Um diese Sache einmal ins rechte
Licht zu rücken, ein Zitat aus einem Dokument lateinamerikanischer
Parteien und Organisationen, das gerade veröffentlicht wurde:
„Den
halbfeudalen Charakter unserer Länder nicht zu erkennen und dazu die
Notwendigkeit des Agrarkrieges, um ihn zu lösen, endet damit die
Notwendigkeit der demokratischen Revolution in den unterdrückten Ländern
zu negieren, die Notwendigkeit den Volkskrieg als Einheitskrieg zu
entwickeln – hauptsächlich auf dem Land und notwendig komplementierend
in der Stadt – um Schluss zu machen mit dem Imperialismus, dem
bürokratischen Kapitalismus und dem Halbfeudalismus. So, ohne den
halbkolonialen und halbfeudalen Charakter zu erkennen, auf welchem sich
bürokratischer Kapitalismus in dem sogenannten Mittleren Osten
entwickelt, ist es nicht möglich den Charakter der nationalen
Befreiungskämpfe der Völker gegen die verschiedenen imperialistischen
Mächte zu verstehen, den Charakter des Widerstandes, des gerechten
Krieges, hauptsächlich gegen den Yankee-Imperialismus, aber ohne die
atomare Supermacht, Russland, zu vernachlässigen, unabhängig von den
Klassenkräften die momentan ihre bewaffneten Kämpfe in Abwesenheit
kommunistischer Führung führen.“
„Antiimperialismus, nationale Souveränität, Erhaltung des Völkerrechts, bla bla bla“
sind für ihn falsch, weil bürgerlich. Tatsächlich muss die Frage der
nationalen Souveränität Syriens Yildirim ein Dorn im Auge sein, weil die
Yankees und die Türkei
diese mit Unterstützung durch die PKK mit Füßen treten. Recht hat
Yildirim nur darin, dass es sich beim Völkerrecht um bürgerliches Recht
(welches jedoch von den früher existierenden sozialistischen Ländern
anerkannt und genutzt wurde) handelt. Aber es ist doch korrekt zu
denunzieren, dass die Imperialisten sich nicht einmal an ihr eigenes
Recht gebunden fühlen.
Alles
ist Taktik, sehr flexibel, die keiner versteht, außer Öcalan selbst.
Solche Verdrehungen gehören zum Repertoire der Verteidiger Öcalans: Ist
Öcalan gegen die Moderne ist das fortschrittlich, ist Öcalan für
Friedensverhandlungen ist das revolutionärer Krieg, redet er gegen den
Staat, will aber den türkischen Staat nicht zerschlagen, sondern predigt
von Frieden und Wahlopportunismus, dann führt das irgendwie zum
Kommunismus. Solche offensichtlichen Dummheiten sind Ausdruck der Linie
der Verteidigung der PKK, die im Artikel Yildirims dargelegt wird.
„Die
marxistische Philosophie, der dialektische Materialismus, weist zwei am
meisten hervorstechende Merkmale auf. Zunächst ist sie durch ihren
Klassencharakter gekennzeichnet: Sie erklärt offen, daß der dialektische
Materialismus dem Proletariat dient: Weiter ist sie gekennzeichnet
durch ihre Bezogenheit auf die Praxis. Sie betont, daß die Theorie von
der Praxis abhängt, daß die Praxis die Grundlage der Theorie bildet und
die Theorie ihrerseits der Praxis dient.“
Sprechen wir einmal über die Praxis der PKK und ihren
„Internationalismus“. Wie konkretisiert sich dieser beispielsweise in
der BRD? Wenn Erdoğan hier auftritt, dann mobilisieren die PKK-nahen
Organisationen – wenn die Zeichen mal wieder kontra Erdoğan stehen – und
ihre Helfershelfer mit aller Kraft und bringen tausende Menschen auf
die Straße. Haben die das jemals im Kontext eines anderen Landes getan?
Können sie sich überhaupt vorstellen so etwas zu tun? Wie steht die PKK
zu proletarischen Revolutionären in anderen Länder im allgemeinen?
Welche Haltung haben sie zum Beispiel zum Volkskrieg in Indien? Oder zum
Kampf landloser Bauern in Brasilien? Besteht innerhalb der PKK
überhaupt ein Interesse an solchen Bewegungen? Offensichtlich nicht.
Jeder und alles wird den tagespolitischen Forderungen der PKK
unterworfen. Wenn die Möglichkeit besteht, dann erledigen sie dies mit
bürgerlichen Parteien, wie der „Linkspartei“ oder den „Grünen“, wenn es
damit Probleme gibt, dann werden ihre Aktionen militanter und sie nutzen
einige Teile der „Autonomen“. Aber alles hat sich dem tagespolitischen
Interesse der PKK unter zu ordnen. Diese Leute haben überhaupt kein
Interesse daran sich in anderen Ländern am dringend notwendigen Aufbau
einer antiimperialistischen Bewegung zu beteiligen. „Kurdistan über
alles!“ ist ihre Handlungsmaxime und dieser Chauvinismus steht in
völligen Gegensatz zum Internationalismus: „Es
gibt nur einen wirklichen Internationalismus: die hingebungsvolle
Arbeit an der Entwicklung der revolutionären Bewegung und des
revolutionären Kampfes im eigenen Lande, die Unterstützung (durch
Propaganda, durch moralische und materielle Hilfe) eben eines solchen
Kampfes, eben einer solchen Linie und nur einer solchen allein in
ausnahmslos allen Ländern. Alles andere ist Betrug ...“
Die
Genossen des Klassenstandpunkt haben die Sache auf den Punkt gebracht:
„Wer sich nur um „seine Revolution“ oder nationale Interessen kümmert,
sei es in einem unterdrückenden oder unterdrückten Land, oder die
unmittelbaren Interessen eines Volkes über die proletarische
Weltrevolution stellt, der kann nicht als Kommunist betrachtet werden,
sondern ist ein Chauvinist.“
Auch dazu kein Wort von Yildirim, mit Ausnahme folgender Passage: „Hier
paart sich der bürgerliche Kommunismus mit einem spezifisch
kleinbürgerlich-terroristischen Element in der kommunistischen Bewegung,
der im engeren Sinne Stalinismus genannt wird. Nach dem Motto „alle,
die nicht absolut auf meiner Seite sind, sind Feinde von mir und der
Revolution überhaupt“ ... “. Ist das nicht anti-kommunistisch? Ich denke schon.
Wie
steht die PKK und die angeschlossenen Organisationen zum türkischen
Staat? Einiges dazu wurde bereits dargestellt. Das Ziel der PKK und
Öcalans ist nicht die Zerschlagung des türkischen Staates an sich, weil
sie mit ihm kein grundsätzliches Problem haben, sondern mit der
aktuellen (im deutlichen Gegensatz zu der von vor einigen Jahren)
Politik Erdoğans, die gegen die Friedensbemühungen Öcalans und für die
Massaker an der Zivilbevölkerung im Osten der Türkei steht, zumindest
aktuell. Sie wollen lediglich einen Regimewechsel, eine Demokratisierung
und damit eine Teilhabe an der Macht. Die von der PKK befürworteten
Wahlfronten wie die HDP haben ihre Erfolge verbucht, scheinen momentan
jedoch kein wirkungsvolles Instrument für die PKK zu sein.
Es
stellt sich so an dieser Stelle die Frage welche Formen der
Zusammenarbeit der revolutionären Parteien und Organisationen in der
Türkei mit der PKK möglich sind. Die PKK arbeitet auf einen Deal mit dem
türkischen Staat hin und ist dafür zu fast allem bereit (Analog verhält
es sich aktuell mit dem Kapitulationsprozess der FARC in Kolumbien). Im
Prinzip bestünde für Marxisten die Möglichkeit eines Bündnisses mit
einer Kraft, die die kurdischen Nationalisten repräsentiert, so wie der
Bund eine Rolle in der russischen Revolution spielen konnte, jedoch kann
ein solches Bündnis nicht unter der Führung einer solchen Kraft stehen.
Ein Bündnis wäre daher sinnvoll um Einfluss auf die unteren und
mittleren Kader, sowie auf die Massen, die ernsthafte Sympathien für die
Revolution haben, einer solchen Kraft zu erlangen. Die PKK erwartet
jedoch aufgrund ihrer Stärke eine Unterordnung unter ihre Führung und
verschiedene Parteien und Organisationen akzeptieren diese Forderung
(meist mit dem Argument, die PKK und die ihr nahestehenden
Organisationen seien Viele, ohne zu hinterfragen, warum man selbst
zahlenmäßig geringer ist), wie die Gründung des Internationalen Freiheitsbattalions und der Revolutionären vereinigten Volksbewegung zeigen.
Auch die Frage der Beteiligung an Wahlen ist dabei wichtig. Die
chinesischen Genossen unter der Führung des Vorsitzenden Mao haben dazu
1971 einen wichtigen Beitrag geleistet:
„In
den letzten nahezu hundert Jahren haben viele kommunistische Parteien
an Wahlen und am Parlament teilgenommen, aber auf diese Weise hat keine
einzige Partei die Diktatur des Proletariats errichten können. Auch wenn
eine kommunistische Partei im Parlament die Mehrheit gewonnen hat und
in der Regierung vertreten ist, bedeutet das doch nicht, daß der
bürgerliche Charakter der Staatsmacht geändert, noch weniger, daß die
alte Staatsmaschinerie zerbrochen worden ist. Die reaktionären
herrschenden Klassen können die Wahlen für ungültig erklären, das
Parlament auflösen oder die kommunistische Partei einfach mit Gewalt
hinauswerfen. Sollte eine proletarische Partei nicht unter den Massen
Arbeit leisten, keinen bewaffneten Kampf führen, sondern für
parlamentarische Wahlen schwärmen, so kann sie nur die Massen
einschläfern und sich selbst korrumpieren. Die Bourgeoisie kauft sich
mittels parlamentarischer Wahlen die kommunistische Partei und macht aus
ihr eine revisionistische Partei, eine bürgerliche Partei,- sind in der
Geschichte solche Fälle etwa selten?“
Dabei spielt auch das Selbstverständnis Öcalans „Im Gegensatz zu den Politikern bin ich eigentlich den Propheten näher“ und seine Verachtung gegenüber den tiefsten und breitesten Massen „Leider
wird das entwickelte Deutschland aufgrund der Rückständigkeit unseres
Volkes etwas verschmutzt. Das macht mich traurig. ... Deswegen macht
sich erneut Rassismus breit. Berechtigterweise übrigens! Ich finde, auch
die Rechten sind im Recht. Ich sage offen, ich denke in diesem Punkt
nicht wie ein Sozialdemokrat. Die Rechten haben recht.“ eine Rolle.
Bei
einer solchen Haltung verwundert es nicht, dass Yildirim die
Perspektive, dass sich unter der Führung der PKK eine „demokratische“,
im Sinne des heutigen Imperialismus, Gesellschaft von Rentiers und
Couponschneidern entwickelt, begrüßt: „die
Revolution bei der Vollendung der demokratischen Revolution
steckenbleibt – was, vergleicht man die Umstände und alle anderen realen
Alternativen, auch gar nicht so schlecht wäre. Die Kurd*innen und die
anderen Völker kämen dann in den Genuss all derjenigen Rechte und
Freiheiten, die alle anderen Völker der imperialistischen Zentren schon
haben ...“
Abgesehen von der Unmöglichkeit dessen was Yildirim da beschreibt ist
es doch so, dass Kommunisten, Antiimperialisten und Revolutionäre genau
das nicht, sondern im Gegenteil den Imperialismus und die mit ihm
verbundenen Vorzüge – ein Leben auf Kosten anderer – begraben wollen.
Jede
menschliche, gesellschaftliche oder wissenschaftliche Beziehung ist
charakterisiert durch den Widerspruch und daraus resultierend durch die
Ungleichmäßigkeit. Das kommt darin zum Ausdruck, dass es einen Kampf der
Interessen gibt, in dem sich ein Interesse durchsetzt. In einem Bündnis
setzt sich einer durch, einer führt, auch wenn Teilerfolge anderer
möglich sind.
Für
die Kollaboration mit dem Imperialismus gibt es für die Verteidiger
Öcalans verschiedene Alternativen. Eine entspricht der des Diebes, der
ruft: Haltet den Dieb! Auf die PKK übertragen heißt dieser Ausruf: Osman
war`s! Eine Methode, die auch auf die „unterschiedlichen Fraktionen“
innerhalb der PKK aufbaut, der nichts weiter als eine Rechtfertigung für
alles Mögliche an Irrungen und Wirrungen und der Internationalen
Kommunistischen Bewegung sowohl aus Nepal, als auch von den Philippinen
geläufig ist. Bei Yildirim liest sich das wie folgt: „...
praktisch betrachtet gab es nur kurz, Anfang der 2000er, eine Gruppe an
PKK-Kadern, inklusive einem Bruder von Abdullah Öcalan, Osman Öcalan,
die die Verwirrung der damaligen Zeit ausnutzten und versuchten, die PKK
auf eine offen proimperialistische Schiene zu ziehen. Osman Öcalan
begab sich mit seinen Unterstützern in die Obhut der USA in Mossul und
schlug der USA Kooperation vor. Er kritisierte die zu enge Anbindung der
PKK an türkische Sozialist*innen und verlangte ein stärkeres Beharren
auf der kurdischen nationalen Identität und glorifizierte im Zuge dessen
die von ihm „demokratischer Kolonialismus“ genannte Irak-Invasion der
USA.“
Die zweite Möglichkeit ist schlichte Leugnung: „Wer
sich für Geschichte interessiert, wie sich das für Marxist*innen
gebührt, der fragst zuerst nach: Warum unterstützen die USA eigentlich
seit Jahrzehnten den Barzani-Clan – aber bisher noch nie die PKK oder
PKK-nahe Organisationen?“ und weiter „...
dass die USA die YPG/J und PYD lange Zeit nicht unterstützten. Noch in
der Hochphase der Schlacht um Kobanê ... am 12. Oktober 2014 der
US-amerikanische Außenminister John Kerry: Was in Kobanê passiere sei
tragisch, definiere aber nicht die Strategie der internationalen
Koalition im Kampf gegen den IS. ... Keiner von ihnen [PKK u.ä.; Anm.d.Verf.]
verlangte im Ernst irgendwas von den USA. Worauf sie vor allem
drängten, war, dass die Grenzen seitens der Türkei geöffnet werden, so
dass PKK-Militante mit Waffen nach Kobanê hätten rübergehen und die
Schlacht wenden können.“
Eine dritte ist das Herunterspielen: „Die Rechnung der PKK und YPG/J dabei war und ist: Wenn die uns unterstützen, solange wir gemeinsame Ziele
haben (Bekämpfung des IS), schön. Wenn sie uns nicht unterstützen, auch
schön; wir machen unser Ding in jeder Hinsicht weiter, egal ob mit, ob
ohne, oder vielleicht sogar gegen die. Und während die versuchen uns zu
integrieren, nutzen wir das Minimum an Anerkennung, das uns dieser
Integrationsversuch bringt, dazu aus, unser Projekt weiter zu festigen
und sogar auszuweiten ...“
Letztlich
folgt die Rechtfertigung dessen, was nicht abzuwälzen, zu leugnen oder
herunterzuspielen ist, mit Verdrehungen von Beispielen aus der
Geschichte der Internationalen Kommunistischen Bewegung: „... Stalin, der sich auf die Koalition mit den antikommunistischen alliierten Imperialisten einließ ...“
Das ist etwas, womit es zu beschäftigen lohnt. Die Sowjetunion, als
sozialistischer Staat, ging temporäre Bündnisse mit den englischen und
Yankee-Imperialisten ein. Doch dies geschah zu einem Zeitpunkt, als klar
war, dass der Hauptfeind der Völker der Welt der deutsche Imperialismus
war. Vorher, als diese Rolle den Briten zu kam, schloss die Sowjetunion
einen temporären Nicht-Angriffs-Pakt mit dem deutschen Imperialismus.
Die KPCh, der gelegentlich bei den Verteidigern Öcalans die gleiche
Rolle zukommt, schloss ein Bündnis mit der Kuomintang gegen die
japanischen Invasoren. Chiang Kai-shek war zwar Agent der Yankees, aber
es war kein direktes Bündnis mit dem Yankee-Imperialismus und in keinem
Fall wurden die revolutionären Streitkräfte (wie es analog in Nordsyrien
mit den koordinierten Luftangriffen der Fall ist) dem Bündnispartner
unterstellt. In beiden Fällen ist die Sachlage eine völlig andere, als
zurzeit in Nordsyrien. Ein angemessener Vergleich wäre hingegen
folgender: Heute gemeinsam mit den Yankees eine Allianz gegen den IS
einzugehen entspricht eher in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts
eine Allianz mit Hitler gegen den ukrainischen Faschistenführer Bandera
zu machen.
Weiter ließe sich ausführen, dass das was Osman Öcalan in den 2000ern anstrebte (und von Öcalan selbst als Verrat benannt wurde)
heute Realität geworden ist: Im „Hohen Kurdischen Komitee“ kooperiert
die PYD mit den Barzani-Leuten. Auch mit anderen reaktionären Kräften
wie der PUK von Talabani (der den Angriff der Yankees auf den Irak
unterstützte und dafür mit fast zehn Jahren Präsidentschaft des Irak
belohnt wurde) gibt es enge Verflechtungen. Yildirim nennt sie
„strategischere Bündnisse“. Gleiches gilt für den ebenfalls von den
Yankee-Besatzern erlaubten Wahlverein Gorran (zu Deutsch etwa: Wandel)
von Nawschirwan Mustafa. Bedeutend sind die Verbindungen in den Irak
deshalb, weil sich dort mit den Kandil-Bergen das zentrale
Rückzugsgebiet und die Ausbildungslager der PKK (und auch anderer sich
der PKK unterordnender Organisationen) befinden. Das heißt nicht, dass
die PKK und der Barzani-Clan keine Widersprüche miteinander hätten, die
gibt es. Sie sind nicht gleich, auch wenn sie sich in bestimmten
Aspekten gleichen. Zum einem lässt die marxistische Philosophie einen
solchen Schluss – das zwei eins sind oder das zwei sich in eins vereinen
– schlicht nicht zu, zum anderen ist insbesondere die Handhabung
solcher Widersprüche wichtig.
International
konvergieren die Interessen der PKK mit denen des Yankee-Imperialismus,
dass wird zähneknirschend zugegeben. Ebenso die direkten wie indirekten
Verbindungen. Selbst Yildirim gibt zu, dass die PKK-nahen Kräfte sich „in Zusammenstimmung und Koordination mit den Interessen der USA bewegen“
und das es andersherum Gegenleistungen gibt, wie die Blockade von
Luftangriffen durch die syrische Luftwaffe auf Hasêke durch die US
Airforce. Tatsächlich geht die Unterordnung unter den
Yankee-Imperialismus noch weiter. Das beweist der Angriff auf Raqqa.
Raqqa liegt nicht auf kurdischem Gebiet, Selbstverteidigung kann hier
nicht als Argument vorgeschoben werden. Trotzdem führt die SDF (worin
neben der YPG u.a. auch Dschaisch ath-Thuwwar
– Armee der Revolutionäre, ehemalige Teile der FSA – und die Quwat
as-Sanadid Miliz des Feudalherren Scheich Humaidi Daham al-Hadi
zusammengeschlossen sind) die Offensive gegen Raqqa an. Außerdem folgte
die YPG dem Befehl des Pentagon, öffentlich vom Sonderberater Obamas für
die Internationale Koalition, McGurk, erklärt, sich aus Manbij zurück
zu ziehen.
Nichts anderes als Bodentruppen des Yankee-Imperialismus trifft, um was
es sich dabei handelt. Die Frage, die offen ist, ist welchen Preis sie
ausgehandelt haben. Außerdem bestehen mehrere (nach Reuters-Angaben zwei, nach anderen Angaben drei) Yankee-Militärstützpunkte im von der YPG kontrollierten Nordsyrien.
Das
Argument Yildirims, dass man sich auch dem russischen Imperialismus
anbiete und bereit sei „Waffen auch von Israel zu kaufen“, als Beleg
dafür eine antiimperialistische Kraft zu sein, bedarf keiner weiteren
Analyse. Der Stein fällt ihm selbst auf die Füße.
Es
ist auch festzustellen, dass die PKK-nahen Organisationen, sowie
diejenigen, die im opportunistischen Wind aus Kobanê umgeknickt sind,
Teil einer Propaganda-Offensive des Yankee-Imperialismus zur
Legitimation ihrer Aggression gegen muslimische Länder, die Ereignisse
des 11. September zum Anlass nehmend, die versucht Muslime im
allgemeinen als barbarische Terroristen aus dem Mittelalter
darzustellen,sind.
So
steht die PKK, entsprechend der oben stehenden Ausführungen zu
Widerspruch und Ungleichmäßigkeit, im Dienst für die Durchsetzung der
Interessen des Yankee-Imperialismus. Der Hauptfeind der Völker der Welt
ist heute der Yankee-Imperialismus, er ist ein millionenfach größerer
Massenmörder als z.B. der Islamische Staat. Diese Tatsache gilt auch für
die Kurden. Der türkische Staat, der die kurdische Bevölkerung
massakriert und in Nordsyrien einmarschiert ist, könnte als
halbkolonialer und halbfeudaler Staat nicht aufrecht erhalten werden
ohne den Yankee-Imperialismus.
In
den Befreiungsbewegungen in Afrika und Zentralamerika waren Kommunisten
aktiv, diese heroischen und opferreichen Kämpfe endeten jedoch als
halbkoloniale und halbfeudale Anhängsel einer imperialistischen bzw.
sozialimperialistischen Supermacht. So war es in Mosambik, Simbabwe oder
Algerien und vielen weiteren Fällen. Auch im dem Fall, dass eine
revolutionäre Partei die Front führt, wie es beispielsweise im Falle der
Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams war, führte die
Zusammenarbeit mit und die Abhängigkeit von der sozialimperialistischen
Sowjetunion dazu, dass der heldenhafte Kampf des vietnamesischen Volkes
letztlich als Halbkolonie endete.
Yildirim
unternimmt zum Ende seiner seitenlangen Ausführungen zur Legitimierung
der reaktionären Theorie und Praxis der PKK und ihrer Anhänger einen
letzten Versuch das was die PKK tut mit Marxismus zu tarnen: „Falls
man sich aus marxistisch-leninistischer Perspektive ernsthaft für die
Umwandlung der PKK und den derzeitigen Revolutionsprozess in Rojava
interessiert, dann wird man die präzise auf ihren Begriff bringen,
namentlich auf den Begriff einer Theorie und Praxis des Zustands der Doppelmacht.
... Die Theorie des demokratischen Konföderalismus und die
Revolutionspraxis in Rojava stellen nun genau ein Moment der Doppelmacht
in Kopplung mit einer demokratischen Revolution dar. Einerseits
optieren die PKK-nahen kurdischen Kräfte in allen Ländern, in denen sie
aktiv sind, für eine demokratische Revolution, die die Aufgaben der
bürgerlichen Revolutionen, die in diesen Ländern im besten Fall nur zum
Teil demokratisch verliefen, vollenden. ... Andererseits ist die
Einsicht von Lenin noch vorhanden, dass nämlich die Bourgeoisien der
jeweiligen Länder, in denen sich die kapitalistische Produktionsweise
erst später als in den imperialistischen Zentren entfaltete, die
demokratische Revolution aus gutem Grund nicht vollenden, weil das ihrem
Charakter nicht entspricht, und dass deshalb der Bourgeoisie die
demokratische Revolution aufgezwungen werden muss. Hier kommt das Moment
der Doppelmacht ins Spiel: die Rätedemokratie.“
Dazu ist kurz klar zu stellen, dass in Russland in der Februar Revolution zunächst drei Kräfte bestanden: „1.
die Zarenmonarchie, das Haupt der fronherrlichen Gutsbesitzer, das
Haupt der alten Beamtenschaft und der Generalität; 2. das bürgerliche
und gutsherrlich-oktobristisch-kadettische Rußland, hinter dem die
Kleinbourgeoisie einhertrottete (ihre Hauptvertreter sind Kerenski und
Tschcheïdse); 3. der Sowjet der Arbeiterdeputierten, der sich im
gesamten Proletariat und in der gesamten Masse der ärmsten Bevölkerung
Verbündete sucht“ Das ist die Phase der demokratischen Revolution, Herr Yildirim. Folgende Haltungen nehmen die Marxisten in dieser Phase ein: „Unsere Revolution ist eine bürgerliche Revolution, sagen wir Marxisten, deshalb
müssen die Arbeiter dem Volk über den Betrug der bürgerlichen
Politikaster die Augen öffnen und es lehren, Worten keinen Glauben zu
schenken, sich nur auf die eigenen Kräfte, auf die eigene Organisation, auf den eigenen Zusammenschluß, auf die eigene Bewaffnung zu verlassen.“
Sollte man einen Vergleich anstellen, so käme man lediglich zu dem
Schluss, dass es sich bei den Herrschenden in Nordsyrien im „besten“
Falle um weitere Kerenskis handelt. Sowohl der Klassencharakter der PKK,
als auch der Verfassung von Rojava lassen keinen anderen Schluss zu.
Die Sowjets, schreibt Lenin etwas später, „müssen als Organe des Aufstands“ „in ausnahmslos allen Teilen Rußlands, für alle Berufe und Schichten der proletarischen und halbproletarischen Bevölkerung“ verstanden werden. „Wir brauchen eine revolutionäre Staatsmacht … aber wir brauchen nicht einen solchen
Staat, wie ihn allerorts die Bourgeoisie geschaffen hat, von den
konstitutionellen Monarchien bis zu den allerdemokratischsten
Republiken. Und darin unterscheiden wir uns von den Opportunisten und
Kautskyanern der alten, von Fäulnis erfaßten sozialistischen Parteien,
die die Lehren der Pariser Kommune und die Analyse dieser Lehren durch
Marx und Engels entstellt oder vergessen haben.“
Die Sowjets dienen also mitnichten der Klassenversöhnung – wie sie in
Rojava exekutiert wird –, sondern sind Instrumente für die Errichtung
der Diktatur des Proletariats. Keinerlei solche Erklärung wurde jemals
von den Herrschern in Nordsyrien abgegeben, im Gegenteil. Trotzdem wagen
die Apologeten Öcalans diesen Vergleich. Diese Unredlichkeit wird sie
teuer zu stehen kommen, denn das revolutionäre Proletariat wird ihnen
die Rechnung schon noch präsentieren.
Bei solch grundsätzlicher Verwirrung erstaunt es wenig, dass „eine stramm disziplinierte, militante Kaderpartei, die PKK“ als „dem klassischen Marxismus-Leninismus zuzuordnen“,
ohne irgendeinen Bezug zum Klassencharakter (die KPdSU unter
Chruschtschow war, wie die KPCh unter Deng, eine
bürgerliche-faschistische Partei), deklariert wird.
Hier
wird deutlich, dass der Autor zwar meint mit dem Marxismus schachern zu
können, doch sein Verständnis dessen hinkt. Das kommt auch darin zum
Ausdruck das Abenteurer, wie der ehemalige Fremdenlegionär, ein
Berufsverbrecher im Sold des Imperialismus, Günther Kelstens in einem
Atemzug mit Revolutionären aus den tiefsten und breitesten Massen wie
Ivana Hoffman genannt werden. Daran ändert auch nichts, dass Yildirim
hier und da „Kritik“ formuliert, das die „Revolution in Rojava“ nicht
„weit genug“ gehe etc. nur um dies im nächsten Atemzug durch die
Formulierung einer frommen Hoffnung vom Tisch zu wischen.
Ein Fazit von Yildirim ist: „Für Kommunist*innen und Sozialrevolutionäre muss hingegen klar sein, dass die Perspektive eines strategischen Bündnisses mit der PKK-nahen kurdischen Befreiungsbewegung angestrebt werden muss, was Rojava/Syrien, die Türkei und den Nahen Osten angeht.“ und „...
Belehren von Außen hingegen wird nur dazu führen, dass die
kommunistischen Kräfte glatt an allen Entwicklungen vor Ort abprallen
und als elitäre Schnösel wahrgenommen werden.“
Dem muss entschieden entgegengesetzt werden, dass die Kommunisten,
sollten sie im Bündnis mit der PKK unter der Führung des
Yankee-Imperialismus Teil der Aggression gegen Syrien und die arabischen
Völker sein, sie auf Jahre hinweg die proletarische Weltrevolution
diskreditieren werden. Im Gegenteil müssen sie die eigenen Kräfte kühn
mobilisieren und der konterrevolutionären Brut Schulter an Schulter mit
den am meisten ausgebeuteten und unterdrückten Massen entschlossen
entgegentreten. Dort wo sie nicht bestehen müssen die Kommunistischen
Parteien (re)konstituiert werden und dort wo der Volkskrieg nicht
geführt wird muss der Volkskrieg so schnell wie möglich eingeleitet
werden, um durch demokratische Revolutionen, die nahtlos in die
sozialistische Revolution überführt werden müssen, und
Kulturrevolutionen auf den Kommunismus zu zu marschieren. Letzteres ist
eine Aufgabe, die in allen Ländern der Welt besteht.
Angesichts
des opportunistischen Sturms aus Kobanê, der über die Welt verbreitet
wurde, und angesichts der Tatsache, dass viele junge, grundsätzlich
progressive Menschen bereit sind ihr Leben in dem in Nordsyrien
stattfindenden Kampf (in der Intention gegen den Imperialismus) zu geben
und es auch tun, ist es eine dringende Notwendigkeit, dass die
Internationale Kommunistische Bewegung, das internationale Proletariat
und die Völker der Welt, die Revolutionäre und Antiimperialisten in
allen Ländern Klarheit darüber gewinnen, wie die Entwicklung in
Westasien und insbesondere die Rolle der PKK und ihrer Helfershelfer
darin einzuschätzen ist und daraus folgend eine klare Haltung einnehmen.
Es braucht eine entschiedene Haltung gegen die Opportunisten, ihren
falschen „Antiimperialismus“ und ihre Konvergenzen mit der Linie der
PKK.
Alexandra Becker
Dezember 2016